Einmalige Schätze aus Konstantinopel
Was viele nicht wissen: Die wichtigsten Stücke des Domschatzes wurden auf einem Kreuzzug erobert.
Von Christian Schafmeister
Der Halberstädter Domschatz gilt als einer der berühmtesten weltweit. Was viele nicht wissen: Die wichtigsten Stücke hat Konrad von Krosigk 1204 auf dem Kreuzzug in Byzanz erobert.
Halberstädter Domschatz – Die byzantinische Weihbrotschale
Sie hängt fast ein wenig versteckt in einer Glasvitrine in der hinteren Ecke der Schatzkammer des Halberstädter Doms. Gleichwohl ist sie für viele Experten das herausragendste – und zugleich kostbarste – Stück des weltberühmten Kirchenschatzes: die vergoldete byzantinische Weihbrotschale, die zwischen 1050 und 1190 gefertigt worden ist. „Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig, es gibt weltweit kein vergleichbares Stück“, betont die Kunsthistorikerin Barbara Pregla vom Landesamt für Denkmalpflege.
An den Rändern sind 16 Heilige zu sehen, jeweils acht Märtyrer und Bischöfe der orthodoxen Kirche. In der Mitte ist die Kreuzigung Jesu mit Maria und Johannes dargestellt. Oberhalb des Kreuzbalkens sind die ↗Erzengel Michael und Gabriel eingearbeitet. Die Szene wird kreisförmig von den Worten der Wandlung umgeben: „Nehmet und esset, das ist mein Leib, hingegeben für euch zur Vergebung der Sünden.“ „Der Brotlaib wurde früher in der Schale mit einer Lanze geteilt, das soll an die Kreuzigung erinnern, bei der Jesu am Ende eine Lanze in die Seite gestochen wurde“, erklärt Barbara Pregla.
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Der Weg der Weihbrotschale zum Dom zu Halberstadt
Doch wie ist dieses Kunstwerk, das in den höfischen Werkstätten von Konstantinopel gefertigt worden ist, im 13. Jahrhundert nach Halberstadt gekommen? „Die Weihbrotschale gehört wie andere kostbare Stücke des Domschatzes zur Beute, die ↗Bischof Konrad von Krosigk beim Kreuzzug 1204 in Konstantinopel gemacht und später dann der Kirche geschenkt hat“, sagt die Kunsthistorikerin. Bleibt die Frage, was den Halberstädter Bischof ins ferne Konstantinopel gezogen hat.
Konrad von Krosigk und der vierte Kreuzzug
Konrad von Krosigk war damals als treuer Anhänger der ↗Staufer beim Papst in Ungnade gefallen und mit einem Kirchenbann belegt worden. Daraufhin verpflichtete er sich zu einer Pilgerreise ins Heilige Land. In Venedig schloss Konrad sich dem Heer des Vierten Kreuzzuges an. Doch statt nach Jerusalem segelte das Heer über die kroatische Stadt Zadar nach Konstantinopel. „Dort gab es zwar auch einige theologische Debatten zwischen den Vertretern der römischen und der orthodoxen Kirche“, sagt Barbara Pregla „letztlich aber wurde die Stadt geschliffen und geplündert. Und auch Konrad machte damals große Beute.“
Halberstädter Domschatz – Eine Beute aus dem Kreuzzug
Die Teilnahme an dem Kreuzzug sollte sich für den Bischof aus Halberstadt gleich doppelt lohnen. Zunächst suchte er bei der Rückreise den Papst auf, der im Juni 1205 den Kirchenbann löste. Und bei seiner Rückkehr nach Halberstadt zwei Monate später wurde er gefeiert. „Es muss damals ein triumphaler Einzug für Konrad mit seiner reichen Beute gewesen sein“, betont Barbara Pregla. In einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1208 überließ Konrad später einen Teil seiner Beute aus Konstantinopel der Kirche. Zwölf der Stücke sind noch erhalten.
Restaurierung des Halberstädter Doms und die Entdeckung weiterer Schätze
Dazu zählt vermutlich auch ein Reliquienschatz, der erst 1996 bei Restaurierungsmaßnahmen der berühmten Triumphkreuzgruppe im Halberstädter Dom entdeckt worden ist. Bei dem Kunstwerk handelt es sich um die Darstellung der Kreuzigung. Christus, Mutter Maria und Johannes sowie zwei Engel sind als überlebensgroße Holzfiguren auf einem Balken platziert. In einer bis dahin verschlossenen Bohrung im Hinterkopf des gekreuzigten Christus wurden damals ein Steinplättchen mit eingelassenen Splittern vom Kreuz Christi, Reste einer byzantinischen Schrift aus dem 12. Jahrhundert und drei Reliquienbündelchen gefunden. „Es liegt nahe, dass auch diese Stücke aus der Beute des Kreuzzuges von Konrad sind“, betont Barbara Pregla, die sich seit Jahren mit dem Halberstädter Domschatz beschäftigt.
Barbara Pregla in der Schatzkammer
Halberstädter Domschatz – Ein Geschenk von Konrad von Krosigk
Für den Halberstädter Dom hatte die Schenkung Konrads eine enorme Bedeutung. „Die Attraktivität der Kirche ist damit massiv gestiegen, denn Reliquien galten damals nicht nur als die oberste Kategorie der Kunstschätze“, erläutert die Kunsthistorikerin, „von ihnen erhoffte man sich auch eine positive Wirkung für das Seelenheil“. Das aber hatte seinen Preis. So geht Barbara Pregla davon aus, dass die Gläubigen dafür im Gegenzug großzügige Spenden leisteten. „Und das hat eben auch finanziell zu einem großen Aufschwung des Halberstädter Doms geführt.“
Konrad von Krosigk aus heutiger Sicht
Aus heutiger Sicht ist Konrad von Krosigk für die Wissenschaftlerin eine ambivalente Figur. Fakt ist: „Es gibt keine ethische oder moralische Rechtfertigung für die Zerstörung Konstantinopels.“ Dennoch sei es wichtig, Konrad auch aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Die Machtverhältnisse seien damals sehr verworren gewesen. „Und nach seinem Kirchenbann hat Konrad mit der Teilnahme am Kreuzzug einfach die Flucht nach vorne ergriffen“, sagt die Kunsthistorikerin. „Für die Menschen in Halberstadt ist er damals jedenfalls ein Held gewesen.“ Daher wurde der Tag seiner Rückkehr am 16. August 1205 lange mit einem Fest der „Ankunft der Reliquien“ gedacht.
Die kunsthistorische Bedeutung des Halberstädter Domschatzes
Ihre Bedeutung kann aus kunsthistorischer Sicht jedenfalls nicht hoch genug eingeschätzt werden, bekräftigt Barbara Pregla. So machen die zwölf Stücke aus der Beute Konrads zwar nur einen sehr kleinen Teil des Domschatzes aus, der insgesamt 650 Objekte umfasst. Doch es sind gerade die Stücke, die zur Faszination des Kirchenschatzes beitragen. Und so dürften die Weihbrotschale, die Triumphkreuzgruppe und die Geschichte Konrads die Besucher auch am 13. April wieder in ihren Bann ziehen. An diesem Tag wird die zehnjährige Wiedereröffnung des Domschatzes gefeiert.
Weitere Informationen zum Dom zu Halberstadt
- Weitere Informationen zum Bauwerk finden Sie unter: Dom zu Halberstadt