12.07.2018, Sachsen-Anhalt, Merseburg: Ein wertvoller Weihwassereimer (v.l.) aus Mailand, vor 980, ein Steinkopffragmet aus Köln oder Bonn, um 1015 und das Armreliquiar des Heiligen Laurentius, 15. Jahrhundert sind im Rahmen der neuen Sonderausstellung "Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte· in Merseburg zu sehen. Aus Anlass des 1000. Todestages des Bischofs Thietmar von Merseburg (975-1018) zeigen die Vereinigten Domstifter eine große kulturhistorische Ausstellung. Thietmar von Merseburg gilt als einer der bedeutendsten Chronisten des 10. Jahrhunderts und vertrauter des römisch-deutschen Kaiser Heinrich II. Die Ausstellung beginnt am 15.07.2018 und wird bis 04. November zu sehen sein. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB +++ dpa-Bildfunk +++

Ausstellung widmet sich Thietmars Welt

Die Welt vor tausend Jahren: Eine Ausstellung in Merseburg erinnert an Bischof Thietmar als bedeutendsten Chronisten im Zeitalter der Ottonen.

Von Kai Agthe

Wer ein Werk von Dauer schafft, dem wird selbst Unsterblichkeit zuteil. Thietmar von Merseburg ist das gelungen. Weniger als Bischof, sondern eher als Geschichtsschreiber. 1 000 Jahre sind vergangen, seit er seine Chronik verfasste, die ein wichtiges Zeugnis aus ottonischer Zeit und in der europäischen Geschichtsschreibung einmalig ist. Ein Werk überdies, das nicht allein von großen geschichtlichen Begebenheiten, sondern auch Szenen aus dem Alltag der Menschen um das Jahr 1000 berichtet.

Anlässlich des 1 000. Todestages Thietmars widmen die Vereinigten Domstifter in Kooperation mit der Willi-Sitte-Galerie dem berühmtesten unter den Merseburger Bischöfen eine Ausstellung.

Deren Fokus liegt zwar auf dem Historienwerk, das aber ist von der Person Thietmars nicht zu trennen. Denn der Autor kommt in seiner Chronik, durchaus üblich im Mittelalter, auch immer wieder auf sich zu sprechen und schreckt sogar vor einer wenig schmeichelhaften Selbstdarstellung nicht zurück: „Ich bin ein Elender, sehr jähzornig und unlenksam zum Guten, von neidischem Charakter“, heißt es dort. Thietmar nennt sich auch einen Schlemmer und Heuchler, einen Geizhals und Verleumder, kurz: einen Sünder. Überdies sei er eher von kleiner Gestalt, sein Gesicht durch einen Nasenbruch, den er sich als Kind zuzog, und eine chronische Fistel auf der Wange ziemlich entstellt.


Eine im Bombenkrieg 1945 in Dresden zerstörte Lage der Originalhandschrift. Foto: dpa

Die Schau folgt dem Buch

Ein ebenso anschauliches Bild wie zur eigenen Person zeichnet Thietmar auch von seinem Zeitalter und dessen bedeutendsten Vertretern. Aufgeteilt in acht Bücher, widmet der Merseburger Bischof die ersten vier ottonischen Herrschern (Heinrich I., Otto I., Otto II. und Otto III.), die letzten vier Bücher, die teils tagebuchartigen Charakter haben, fassen vor allem die geschichtlichen Ereignisse unter Heinrich II. bis zum Tod Thietmars im Jahr 1018 zusammen.

Die Ausstellung hält sich strikt an die in dem Werk vorgegebene Dramaturgie, denn sie will einladen „zu einer Reise durch jedes Buch der Chronik“, wie Kurator Markus Cottin am Donnerstag sagte. Ein solch abstraktes Werk wie eine Chronik zu visualisieren, stellt allerdings keine geringe Herausforderung dar. In der Ausstellung werden deshalb Auszügen aus Thietmars Texten passende Objekte beigefügt, die den Bogen über ein Jahrtausend Merseburger, deutscher und europäischer Geschichte schlagen. Auf 400 Quadratmetern sind 110 Exponate zu sehen, die 52 Leihgeber aus Europa und Skandinavien zur Verfügung stellten. „Schon bei den Leihanfragen haben wir eine hohe Wertschätzung für Thietmars Werk und auch die Stadt Merseburg bemerkt“, sagte Cottin.

Zu den Objekten, die eine unmittelbare Verbindung zu Thietmar herstellen, gehören Seiten aus der Originalhandschrift, die in Dresden verwahrt wird, aber während der Bombardierung der Stadt im Jahr 1945 schwer beschädigt wurde, wie eine durch Löschwasser zerstörte Lage des Originals erkennen lässt. Nur dank eines 1905 angefertigten Faksimiles hat sich das Werk in vollständigem Wortlaut erhalten.

Interessengeleitete Schrift

Thietmars Chronik – das wird in der Ausstellung deutlich und in dem 528 Seiten starken und mehrere Kilogramm schweren Katalog detailliert herausgearbeitet – ist kein unparteiisches Werk, sondern interessengeleitet. Was einmal mehr beweist, dass Geschichte gemacht wird. Seit der Grafensohn Thietmar im Jahr 1009 zum Merseburger Bischof geweiht wurde, war es sein Bestreben, die Bedeutung seines auf der physischen wie politischen Landkarte überschaubaren Bistums zu heben. Deshalb scheute Thietmar auch nicht davor zurück, zu unlauteren Mitteln zu greifen, um sein kleines Reich zu vergrößern. So fälschte er Urkunden, um angebliche Besitzansprüche auf Flurstücke und Wälder im sächsischen Raum belegen zu können. Stellvertretend dafür ist eine von Thietmar auf das Jahr 974 datierte Urkunde zu sehen.Porträt Thietmars (um 1505) an der Chorschranke des Merseburger Domes.


Porträt Thietmars (um 1505) an der Chorschranke des Merseburger Domes. Foto: dpa

Auch die Art, wie sich der Bischof als Chronist über die ottonischen Herrscher äußert, ist jeweils abhängig von der Weise, wie sie sich zu Merseburg und dem Bistum verhielten: Auf Heinrich I., der in Merseburg eine Pfalz gründete, hält Thietmar große Stücke, obwohl er dessen sexuelle Ausschweifungen verurteilt. Gewogen ist der Autor auch Otto I., der das Bistum gründete. Dass es sein Sohn Otto II. aufheben ließ, hatte negative Folgen für dessen Darstellung in der Chronik. An Heinrich II. war es, das Bistum wieder zu begründen und sich so das Wohlwollen des Historikers Thietmar zu sichern.
„Thietmars Welt – Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte“, bis zum 4. November in der Willi-Sitte-Galerie (Curia Nova) und der Südklausur des Merseburger Domes, tägl. 9 bis 18 Uhr. Der Katalog kostet in der Ausstellung 39,95 Euro, im Buchhandel 69 Euro.

Hier finden Sie weitere Informationen zu der Ausstellung in Merseburg.

Hier finden Sie weitere Informationen zu Bischof Thietmar.