Gartenträume im alten Kloster

Der Fund eines historischen Plans aus dem Jahr 1737 machte es möglich, die Anlagen der Äbtissin und der Stiftsdamen in Drübeck neu erblühen zu lassen.

Von Christian Schafmeister

Es war ein zufälliger und zugleich folgenreicher Fund, den ein Mitarbeiter Anfang der 1990er Jahre bei Aufräumarbeiten im Kirchenarchiv in Drübeck (Harz) macht: Er entdeckte einen historischen Gartenplan aus dem Jahr 1737. Damals hatte J. A. Dieckmann die Anlagen nachgezeichnet, die erst kurz zuvor auf dem Gelände des ehemaligen Klosters und damaligen Damenstiftes angelegt worden waren. Knapp 300 Jahre später ist der historische Plan die Grundlage dafür, dass die Anlagen eine neue Blüte erleben. „Wir haben uns bei der Umgestaltung des Gartens der Äbtissin und der fünf Gärten der Stiftsdamen zwischen 2002 und 2008 an den Plan von J. A. Dieckmann angelehnt und versucht, die Gärten zugleich neu zu interpretieren“, erklärt Gartendenkmalpflegerin Heike Tenzer von Landesamt für Denkmalpflege.

So wurde am Eingang des Gartens der Äbtissin eine neue Bruchsteinmauer errichtet. Durch eine kleine Holztür gelangt der Besucher dort heute in den Rosengarten mit seinen vielen Hecken und einem kleinen Brunnen. „Wir haben auf dem gesamten Gelände Spuren aus allen Jahrhunderten gefunden“, sagt Heike Tenzer. So sei der Rosengarten beispielsweise erst um 1900 angelegt worden. Dort, wo heute zwei weiße Bänke für Besucher stehen, empfing die Äbtissin früher ihre Gäste. Sie suchte hier zugleich auch Ruhe und Entspannung. In einer Linde hatte sie dafür sogar ein kleines Baumhaus, das sie über eine Leiter erreichte. Von diesem aus konnte sie ihren Blick über die Außenmauer der Klosteranlage hinaus schweifen lassen.

Ein Graben trennt den Baumgarten vom Lustgarten ab. Früher war es ein natürlicher Wasserlauf, durch den Wasser für die Klostermühle floss. Heute wird der Graben mit dem Regenwasser vom Dach der angrenzenden Scheune gespeist. Im Lustgarten selbst, in den der Besucher über eine Holzbrücke kommt, fallen die 400 Jahre alten Eiben auf. Sie stehen im Zentrum eines Wegekreuzes. „Das ist die Gartensprache des Barock“, weiß die Denkmalschutz-Expertin. Bei den Arbeiten vor einigen Jahren habe man genau die alten Wegeführungen entdeckt, die auch im historischen Plan von 1737 verzeichnet sind. Für den Pavillon der Äbtissin, der am Ende des Lustgartens gestanden hat, habe man jedoch keine Aufzeichnungen gefunden.

Maßgeblich geprägt hat die Entwicklung in Drübeck Graf Christian Ernst von Stolberg-Wernigerode. Ihm wurde das Kloster Ende des 17. Jahrhundert durch ein Edikt des Kurfürsten – einer mittelalterlichen Verordnung – übertragen. Er errichtete auf dem Gelände anschließend das Damenstift und ließ die alte Klosteranlage von 1720 bis 1732 umfassend umbauen. In dieser Zeit entstanden nicht nur die Mühle und das Brauhaus, sondern auch das Äbtissinnenhaus. Und direkt hinter diesem liegen die Gärten der fünf Stiftsdamen.

„Jede der Damen hatte damals ihr eigenes kleines Gartenreich“, erklärt Heike Tenzer. Dazu gehörten Blumen, Obstbäume und ein Gartenhaus. Vier der historischen Häuschen wurden bei den Arbeiten vor einigen Jahren restauriert, das fünfte existierte nicht mehr, wurde aber originalgetreu nachgebaut. Wer in einem der Häuschen heute eine alte Kommode, einen Schrank, einen Stuhl sowie einen Tisch mit einem kleinen Teeservice entdeckt, bekommt ein Gefühl dafür, wie die Stiftsdamen hier damals Ruhe und Entspannung gefunden haben. Und auch dem Grafen lag das Wohl der Stiftsdamen am Herzen. Er soll jedes Gartenhaus mit einem Seidenband mit 200 Gebeten ausgestattet haben.

Inzwischen sind die fünf Gärten, die ebenfalls alle ein weit sichtbares Wegekreuz haben, wieder durch Mauern getrennt. „Wir haben bei den vorbereitenden Arbeiten Reste der alten Fundamente gefunden. Das war eine Bestätigung unserer Vermutungen“, sagt Heike Tenzer. Die Außenmauer, die alle fünf Gärten der Stiftsdamen umgibt, ist dagegen noch im Originalzustand erhalten.

Die Klosteranlage zieht die Gartendenkmalpflegerin noch immer in ihren Bann. „Für mich ist das auch persönlich ein Ort der Besinnung.“ Der Weg dahin war jedoch steinig. „Als wir mit den Arbeiten angefangen haben, waren die Kanonissengärten eine leere, ausgeräumte Fläche. Ihre Gestaltung war in Vergessenheit geraten, vielen war der historische Wert der ehemaligen Klostergärten nicht bewusst“, so die Denkmalpflegerin. „Einige haben die Gärten nicht als Teil der historischen Klosteranlage gesehen.“

Dabei seien die Gärten gerade wegen ihrer Kleinteiligkeit etwas Besonderes. Von Vorteil sei gewesen, dass die Klosteranlage auch nach der Reformation und den Zerstörungen in der Zeit der Bauernkriege immer genutzt und so nicht dem Verfall preisgegeben wurde. Doch am Ziel ihrer Träume ist die Mitarbeiterin des Landesamtes für Denkmalpflege trotz jahrelanger Arbeit noch nicht. „Es wäre wünschenswert, zumindest einen der Gärten der Stiftsdamen tatsächlich wieder als Nutzgarten zu gestalten.“ Heute sind die Wegekreuze dort eingerahmt von Rasenflächen.

Deutlich näher dran an der historischen Nutzung ist man derweil im Pensionärsgarten an der Nordseite der Klosterkirche. Vor dem 18. Jahrhundert wurde das Areal als Friedhof genutzt, später als Hausgarten. Und auch heute nutzen die Köche des Evangelischen Zentrums das Gelände als Küchengarten. Und die angrenzende Bleichwiese, die ebenfalls im historischen Gartenplan verzeichnet ist, wird heute für Gartenfeste genutzt.

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