Von Konstantinopel nach Magdeburg
Eine junge Prinzessin aus Byzanz wird zu einer der einflussreichsten Herrscherinnen des Mittelalters. Historiker Wolfgang Huschner erklärt, welche Spuren Theophanu in Sachsen-Anhalt hinterließ.
Von Christian Schafmeister
Wenn sich Wolfgang Huschner die Fotos der Heiratsurkunde von Prinzessin Theophanu anschaut, gerät der Historiker ins Schwärmen. Das Dokument aus dem Jahr 972, mit dem die Heirat der Prinzessin aus Konstantinopel mit Otto II. besiegelt worden ist, besticht allein schon durch sein Ausmaß. 1,45 Meter lang und 40 Zentimeter breit ist das Dokument, das aus drei aneinandergeklebten Pergamentstücken besteht. Doch auch die Gestaltung ist einzigartig. Der Purpurgrund ähnelt kostbarem byzantinischen Seidenstoff. Und hinter dem mit Goldtinte verfassten Text liegen 14 Medaillons. Die Flächen dazwischen sind reichlich verziert. „Die Heiratsurkunde ist eine der kostbarsten und vornehmsten des gesamten Mittelalters“, betont der Professor von der Universität Leipzig. Und das ist kein Zufall, denn die Heirat der Prinzessin aus Byzanz mit dem Kaiser sollte die politischen Kräfteverhältnisse neu ordnen, mit Auswirkungen auch im heutigen Sachsen-Anhalt.
„Vater Otto I. war auf der politischen Bühne noch ein Neuling, ein unbeschriebenes Blatt“, erklärt Huschner. Um Anerkennung zu gewinnen, so der Historiker, suchte er eine enge Verbindung zum bedeutendsten christlichen Zentrum der damaligen Zeit – und das lag in Konstantinopel. Ein erster Versuch, dort eine Braut für seinen Sohn zu finden, scheiterte allerdings kläglich. „Der byzantinische Kaiser hat Otto I. abtreten lassen und regelrecht verspottet.“ Mehr Glück hatte Otto I. beim nächsten Kaiser in Konstantinopel. Am Ende langer Verhandlungen vereinbarten beide die Heirat Otto II. mit einer Nichte des Kaisers, Prinzessin Theophanu. Das junge Mädchen – damals vermutlich gerade 13 Jahre alt – wurde reichlich ausgestattet, erhielt unter anderem Provinzen in Italien, aber auch die Königspfalz in Tilleda im heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz.
„Das Ergebnis war letztlich für Otto I. ein ziemlicher Erfolg“, erklärt Huschner. „Denn es bedeutet für ihn automatisch auch die Anerkennung als Kaiser durch den Herrscher in Konstantinopel.“ Für die Prinzessin aber bedeutete es den Eintritt in eine völlig neue, fremde Welt. Und die begann nach der Hochzeit im April 972 in Rom mit einer monatelangen, strapaziösen Reise bis nach Magdeburg, zur Kaiserpfalz Otto I.
Der Tross des Kaisers, der über Ravenna, Mailand, Konstanz und Frankfurt bis an die Elbe zog, umfasste manchmal bis zu 1 000 Personen. Regiert wurde – wie damals üblich – auf Reisen. „Wichtige Absprachen mit den Fürsten traf der Kaiser unterwegs bei Versammlungen.“ Als der Tross am Palmensonntag Magdeburg erreicht, wird er von Hunderten Menschen empfangen. Die junge Prinzessin mir ihrem Gefolge sorgt dabei nicht nur wegen ihrer byzantinischen Mode für Aufmerksamkeit. „Es gab aber – wie heute – durchaus auch Vorbehalte gegen Fremde, auch gegen das junge Mädchen“, sagt Historiker Huschner. Umgekehrt muss die Ankunft auch für Theophanu mehr als verstörend gewesen sein. „Sie hat so einen Ort wie Magdeburg nie zuvor in ihrem Leben gesehen.“
Die Eingewöhnung gelingt ihr jedoch schneller als gedacht. „Sie hat altsächsisch gelernt und ist Schritt für Schritt in die Regierungsgeschäfte hineingewachsen“, sagt Huschner. Und das neue Herrscherpaar, das beim Hoftag 973 in Quedlinburg seinen ersten großen Auftritt in der Region hat, hinterlässt auch andernorts einige Spuren. So stifteten beide zum Gedächtnis an den in Memleben (Mansfeld-Südharz) verstorbenen Otto I. dort ein Benediktinerkloster und statteten es reichlich aus. Gleich mehrere Aufenthalte Otto II. in Memleben sind durch dort ausgestellte Urkunden belegt.
Der Tod ihres Mannes – 983 an einer Malaria-Erkrankung gestorben – stellte Theophanu dann vor ihre erste richtige Bewährungsprobe. Es ging um die Vormundschaft für ihren Sohn und künftigen Kaiser Otto III. „Diese Frage musste erst noch ausgefochten werden.“ Denn auch Heinrich II., Herzog von Bayern, erhob als nächster männlicher Verwandte der herrschenden Dynastie Anspruch auf die Vormundschaft und entführte daher den künftigen Herrscher. Doch mit viel politischem Geschick gelang es Theophanu ihren Rivalen – wegen seiner Streitlust auch „Der Zänker“ genannt – auszustechen, er musste schließlich klein beigeben. „So etwas hatte es zuvor noch nicht gegeben“, sagt Historiker Huschner. Und dieser Erfolg markierte für die junge Herrscherin einen Wendepunkt. „Von da an war sie bis zu ihrem Tod 991 die ranghöchste Herrscherin im westlichen Europa.“
Theophanu bewies nicht nur viel politisches Geschick, sie bereitete auch ihren Sohn gezielt auf künftige Aufgaben vor. So lernte Otto III. Latein und Griechisch. „Das war zu der Zeit eine ungewöhnlich gute Ausbildung“, sagt Huschner. Und auch die Hochzeit mit einer byzantinischen Prinzessin war bereits eingefädelt, als Otto III. 1002 starb. „Eine solche Heirat hätte die Verbindung zwischen Byzanz und dem Westen noch enger zusammenwachsen lassen“, betont Huschner, „und vermutlich sähe die heutige Landkarte in Europa anders aus“. An seiner Bewunderung für Theophanu ändert das nichts. „Sie ist eine faszinierende Frau, und es ist erstaunlich, dass sie sich damals in einer völlig fremden Welt so hat durchsetzen können.“