Rätselhafter Mord an der Unstrut
Dem mysteriösen Tod des Pfalzgrafen Friedrich III. 1085 verdankt Ludwig der Springer seinen rasanten Aufstieg. Doch war er auch der Täter?
Von Christian Schafmeister
Eine versteckte Klosterkirche aus dem späten 11. Jahrhundert, die Reste einer alten Burganlage samt Turm und Ringmauer sowie ein atemberaubender Ausblick auf die Unstrut, die sich direkt unterhalb im Tal vorbeischlängelt: Zscheiplitz bietet dem Besucher wahrhaft ein Idylle. Doch der Ort steht zugleich für einen spektakulären und bis heute ungeklärten Kriminalfall aus dem Mittelalter. Und das, was sich am 5. Februar 1085 der Legende nach bei Zscheiplitz zugetragen hat, das hat alles, was ein spannender Krimi auch heute braucht: Eine romantische Liebe, einen kaltblütigen Mord und das unersättliche Streben nach Macht.
Doch nicht nur das: Der Pfalzgrafenmord, dem Markgraf Friedrich III. zum Opfer fiel, hat tatsächlich die Machtverhältnisse in der Region beeinflusst – und so auch zum Bau von Schloss Neuenburg bei Freyburg geführt. Der Bauherr – der Thüringer Graf Ludwig der Springer – soll der Sage nach der Mörder des Pfalzgrafen gewesen sein. Kurz nach der Tat errichtete er das imposante Bauwerk oberhalb der Unstrut. „Damit dokumentierte er seine gewachsene Machtfülle und seinen sozialen Aufstieg“, erklärt der Historiker Joachim Säckl.
Für die Überlieferung gibt es zwei entscheidende Quellen. Grundlage der Legende sind die Aufzeichnungen eines Chronisten aus Reinhardsbrunn aus dem 14. Jahrhundert. Der Mönch geht davon aus, dass Pfalzgräfin Adelheid – die Gemahlin des Opfers – ihren Liebhaber Ludwig zu der Bluttat angestiftet hat. Danach heirateten beide. Der Thüringer Graf kam so zu vielen Reichtümern und einem großen Erbe. „Diese Sicht auf den Fall mit Adelheid als Anstifterin und Ludwig als Mörder hat sich lange festgesetzt und noch bis ins 16. Jahrhundert hinein eine enorme Wirkung entfaltet“, sagt Säckl.
Doch war der Ludwig der Springer tatsächlich in den Mord verwickelt, wie es diese Chronik nahelegt? Säckl hat Zweifel. „Immerhin waren schon rund 250 Jahre seit der Tat vergangen, als der Mönch die Chronik aus vielen anderen Aufzeichnungen zusammengeschrieben hat.“ Und auch ein Chronik aus Goseck, die zweite Quelle, kommt zu einer anderen Bewertung. „Und der Gosecker Chronist war deutlich näher an dem Ereignis dran, räumlich und zeitlich“, erläutert Säckl. Denn die Aufzeichnungen aus dem nahen Goseck sind bereits um 1140 entstanden – also 200 Jahre früher als die Schriften in Reinhardsbrunn.
Der Autor beschreibt nicht nur detailliert die Umstände des Mordes, er nennt auch andere Täter. Danach hatte sich der Pfalzgraf an diesem Tag „nach weltlicher Sitte“ nahe seines Hofes bei Zscheiplitz an der Jagd beteiligt. „Als aber die Mannen, wie üblich, im ganzen Wald verstreut waren, geschah es, dass der Jüngling, auf dem Pferd sitzend, allein den (hetzenden) Hunden folgte, und da erschlugen die beiden Brüder Theodericus et Ulricus de Deidenleibe und Reinhardus de Runenstide, aus dem Hinterhalt hervorbrechend, den Jüngling und entkamen nach der ruchlosen Tat, die sie frech vollbracht hatten, ungestraft.“ Da das Opfer „ihnen keinen Anlass für den Todschlag gegeben hatte, ist unserem Urteil nicht ersichtlich, warum und auf welche Anstiftung hin sie diese Schandtat verübt haben.“ Ausdrücklich enthält sich der Autor jeden weiteren Urteils über die Motive und Hintergründe des Mordes.
Fakt ist: die Ermordung Friedrich III. und die Heirat von Ludwig und Adelheid stellten eine Zäsur dar. Ludwig nutzte die Situation nicht nur aus, um seinen Herrschaftsbereich an Saale und Unstrut zu vergrößern. „Er erlebte mit der Heirat auch einen sozialen Aufstieg innerhalb des thüringisch-sächsischen Adels“, sagt Säckl. Ludwig gehörte zu den Ludowingern. Das Adelsgeschlecht war aus Franken nach Thüringen gekommen und hatte seinen Besitz mit der Schauenburg gefestigt. „Das war der erste Schritt, um in der Region Fuß zu fassen.“ Ludwig setzte danach die Ausweitung des Herrschaftsbereiches fort. Er hatte bereits vor dem Bau der Neuenburg mit der Wartburg die zweite Burg der Ludowinger in der Region errichten lassen. „Beide Burgen wirkten wie eine Klammer für seinen Herrschaftsbereich.“
Doch Ludwig hat nicht nur mit der Neuenburg Spuren in der Region hinterlassen. Der Legende nach wurde er nach dem Pfalzgrafenmord auf Burg Giebichenstein in Halle inhaftiert. Als ihm die Hinrichtung drohte, soll er sich mit Hilfe des Heiligen Ulrich durch einen Sprung in die Saale gerettet haben – deshalb der Namenszusatz „der Springer“. Zum Dank, schreibt der Reinhardsbrunner Chronist, habe Ludwig die Ulrichskirche in Sangerhausen gestiftet. Und als Zeichen der Sühne gründete er das Benediktinerkloster Reinhardsbrunn und trat dort als Mönch ein. Für die Sicht, dass Adelheid auf dem verwaisten Besitz des ermordeten Pfalzgrafen in Zscheiplitz ebenfalls ein Benediktinerkloster gründete, gibt es laut Säckl keine Belege.
Der Vater des Opfers errichtete aber am Tatort zum Gedenken an seinen Sohn ein großes Holzkreuz, das später durch ein Kreuz aus Stein ersetzt wurde. So gehört Zscheiplitz in die Reihe der insgesamt sechs Orte, die mit dem Mord in Verbindung stehen. „Die Zahl ist schon bemerkenswert.“ Ohnehin ist die Tat für Säckl mehr als ein lokales Ereignis. So stellten die Nachkommen Ludwigs nicht nur für fast 150 Jahre die Landgrafen von Thüringen, sondern am Ende mit Heinrich Raspe IV. auch einen König. „Letztlich gehört die Geschichte zum kulturellen Erbe an Saale und Unstrut.“
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