Pioniere hinter Klostermauern

Die Geistlichen waren an Saale und Unstrut in vielen Bereichen der Motor der Entwicklung. 

Von Christian Schafmeister

Die Geistlichen haben im frühen Mittelalter nicht nur eine enge Verbindung zu den Herrschern gehabt. Sie waren an Saale und Unstrut auch der Motor der Entwicklung in  vielen Bereichen.

Die  Säulen sind mit Kapitellen verziert. Durch die modernen Fenster dringt nur  schwaches Tageslicht.  Anders als die Fenster stammen das Gemäuer und die Decke der Hallenkrypta  schon aus der Zeit Anfang des 13. Jahrhunderts, als die Marienkirche auf dem Gelände des ursprünglich bereits 973  gegründeten Benediktinerklosters in Memleben errichtet worden ist. Von der Kirche stehen heute nur noch die Ruinen der Außenmauer. Die Krypta ist daher nicht nur der einzige vollständig erhaltene Raum der Anlage. Es ist auch der Raum, der  Besucher in seinen Bann zieht und der eines der Symbole der Romanik schlechthin in Sachsen-Anhalt ist.

Kaiserpfalz Memleben – Standort ist nicht bekannt

Doch schon im frühen Mittelalter hat Memleben eine enorme Ausstrahlung und Anziehungskraft – damals vor allem für die Herrscher. Mehrfach halten sich König Heinrich I. und sein Sohn Kaiser Otto I. dort auf. Daher entsteht bei Memleben auch eine bedeutende Kaiserpfalz, deren genauer Standort bis heute nicht bekannt ist. Dass die Regenten an Orten wie Memleben regelmäßig Station machen, ist kein Zufall. „Regiert worden ist durch das Reisen“, erläutert der Historiker Wolfgang Huschner von der Universität Leipzig. Hauptstädte habe es nicht gegeben, wohl aber Hauptregionen. „Und in der ottonischen Zeit war die Region im damaligen Nordthüringen und Ostsachsen sogar die wichtigste“, erklärt der Professor für  Mittelalterliche Geschichte.

Saale und Unstrut – größte Klosterdichte im damaligen Reich

Das ist ein Grund dafür, dass insbesondere ab dem 10. Jahrhundert an Saale und Unstrut viele Klöster aus der Taufe gehoben werden. Das hat auch ganz praktische Hintergründe. „Die bedeutenden Verkehrstrassen verlaufen schon damals oft neben den Flüssen, daher bot sich die Gegend dafür an.“ Im Ergebnis entsteht an Saale und Unstrut eine so hohe Dichte an Klöstern wie es sie kein zweites Mal im damaligen Reich gibt.

Insbesondere das Herrschergeschlecht der Ottonen sorgt für Ansiedlungen und stattet die Klöster aus. So wird auch das Kloster in Memleben von Kaiser Otto II. und seiner Frau Theophanu gestiftet. Damit gedenkt der Kaiser seinem im Jahr 973 in Memleben gestorbenem Vater Otto I. Das Kloster steigt in der Folge schnell zur bedeutenden Reichsabtei auf, ist also direkt dem Kaiser unterstellt und erhält umfassenden Besitz und weitreichende Rechte.

Geistlichen und Herrscher – die wechselseitigen Abhängigkeiten

Der Fall zeigt zugleich die sehr enge Verbindung von geistlicher und weltlicher Herrschaft. „Für die Gründung eines Klosters ist damals immer die Unterstützung der jeweiligen Herrscher erforderlich“, erklärt Huschner. Gleichzeitig erhoffen sich die Herrscher durch die oft großzügige materielle Unterstützung der Klöster einen positiven Effekt für ihr Seelenheil. „Die Geistlichen gelten als professionelle Vermittler zwischen den Sündern und dem von allen Menschen später erhofften Eintritt ins Himmelreich“, erklärt Huschner. „In letzter Konsequenz haben sich Geistliche und Herrscher gegenseitig gebraucht.“

Saale Unstrut profitiert von Mönchen und Nonnen

Die Klöster geben jedoch auch der gesamten Region an Saale und Unstrut einen Schub. Die Mönche und Nonnen haben ein umfassendes Wissen. Sie agieren nicht nur auch als gute Ökonomen, sondern geben bedeutende Impulse für  wichtige Lebensbereiche wie Landwirtschaft, Architektur und Bildung. So zweigen sich die Mönche des Klosters Pforta einen künstlichen Wasserlauf von der Saale ab, der ihre Mühlen antreibt, Fischteiche bewässert und das Kloster mit Brauchwasser versorgt. Aus Kloster Posa sind derweil alte Handschriften erhalten. Es sind oft die Geistlichen, die damals Dokumente aufsetzen und andere Sprachen beherrschen. Und nicht zuletzt sind viele Klöster  sehr eng mit der Entwicklung des Weinanbaus verbunden. So schenkt Kaiser Otto III. dem Kloster  Memleben 998  eine Reihe von Ortschaften   und Weinberge. Die entsprechende Urkunde gilt heute als ältester Beleg für die Anfänge des Weinbaus in der Region.

Saale und Unstrut Klöster sind florierende Wirtschaftsbetriebe

„Die Geistlichen sind damals die intellektuelle Elite, sie sind der Motor für die Entwicklung der Region“, sagt  der Historiker. „Mit ihren handwerklichen Fertigkeiten und ihrem umfassenden Wissen haben sie viele Klöster zu florierenden Wirtschaftsbetrieben gemacht.“ Das, was über den eigenen Bedarf hinaus produziert wird, wird auf dem Markt angeboten und verkauft. Dabei habe es durchaus auch eine Spezialisierung der einzelnen Klöster gegeben, erklärt Huschner. Wie im heutigen Wirtschaftsleben  habe es auch damals schon  eine gewisse Konkurrenz gegeben.

Saale und Unstrut Klöster sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft

Ihren Höhepunkt erreichten die Klostergründungen dann im 12. und 13. Jahrhundert, als sich auch Reform-Orden wie Zisterzienser und Prämonstratenser in der Region ansiedeln. „Die Zisterzienser haben sich durch ihre vorbildliche Lebensweise abgehoben, das hat bei den Menschen Eindruck hinterlassen“, sagt Huschner. Gleiches gilt für die Bettelorden, die sich im 13. Jahrhundert oft in Städten niederlassen. „Sie mussten sich ihre Zuwendungen verdienen und haben damit das Urchristentum noch einmal vorgelebt. Damit haben sie enorme Wirkung gehabt“, sagt der Historiker. Doch nicht nur das: „Die Bettelorden richten auch die Predigten auf die unmittelbaren Probleme der Menschen aus und erzielen so eine große Wirkung.“

Im Rückblick, so der Wissenschaftler, könne die Bedeutung der Klöster für die Entwicklung an Saale und Unstrut gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Ohne sie hätte das Leben nicht funktioniert, die Klöster sind damals ein unverzichtbarer Bestandteil der Gesellschaft.“

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Informationen zum Kloster Memleben.

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