Bild: Andreas Stedtler

Neue Farbe für die blasse Elisabeth

Im Naumburger Dom saniert ein internationales Team bis 2020 die riesigen Fenster des West- und Ostchors. Restauratorin Jana Hildebrandt erklärt, wie die Heilige neue Gesichtszüge erhält.

Von Albrecht Günther

Behutsam, aber mit sicherer Hand setzt Jana Hildebrandt das Skalpell an. Dann nimmt sie den Pinsel, bessert nach. Vor ihr, auf einem großen Tisch, liegt ein Feld aus einem der riesigen Glasfenster des Westchors des Naumburger Doms. Es zeigt die Heilige Elisabeth, die als Thüringer Landgräfin durch ihre Mildtätigkeit berühmt geworden ist. Gefertigt wurde das Fenster Mitte des 13. Jahrhunderts.

In dieser Zeit entsteht – vermutlich veranlasst vom Wettiner Markgrafen Heinrich von Meißen – der Bau des frühgotischen westlichen Chors des Gotteshauses. Um 1260 sind die Arbeiten beendet. In einer Art Werkstatt ist unter Leitung des namentlich unbekannten und aus Frankreich gekommenen Naumburger Meisters ein architektonisches Ensemble entstanden, das mit seinem Lettner, den Stifterfiguren und den Fenstern zu einem der bedeutendsten Bauwerke der Spätromanik gehört. Zugleich ist der Dom das Flaggschiff auf der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt.

Renommierte Leitung

Bis zum Jahr 2020 hat ein sechsköpfiges Team einer internationalen Glaswerkstatt am Naumburger Dom nun eine Mammutaufgabe zu bewältigen: die Reinigung, Konservierung und behutsame Erneuerung aller zwölf Fenster des West- und des Ostchors. Geleitet wird das Vorhaben vom renommierten Kunsthistoriker und Glasspezialisten Ivo Rauch aus Koblenz (Rheinland-Pfalz) und Werkstattleiterin Sarah Jarron.  „Ich bin wirklich stolz, Teil dieses großen Projektes zu sein“, sagt Jana Hildebrandt.

Bild: Andreas Stedtler

Die Arbeiten an den Fenstern sind dabei dringend erforderlich. Denn im Laufe der Jahrhunderte sorgten Regen, Sonneneinstrahlung und Wind für teils gravierende Schäden. Hinzu kommen die schädlichen Umweltbedingungen der letzten 130 Jahre, die dem Glas und dessen Oberfläche weiter zusetzten. Obwohl bereits in den 1940er- und 1960er-Jahren Restaurierungs- und Pflegearbeiten stattfanden, schreiten der Verfall das Glases und der Bemalung voran.

„Filigrane Malschichten  des historischen Glases sind zwar noch vorhanden, lösen sich aber teilweise ab“, erklärt Jana Hildebrandt am Beispiel des vor ihr liegenden Fensterfeldes. Und obwohl die früheren Restaurierungen gut gemeint waren, veränderten sie dennoch durch die damals verwendeten Materialien wie Kleber und Kunststoff den Bestand des Glases. Auch die zahlreichen Bleinetze,  mit denen die  einzelnen, durchschnittlich zehn Mal zehn Zentimeter großen  Scheiben miteinander verbunden sind, benötigen Pflege oder müssen ersetzt werden.

Die Arbeiten folgen dabei einem festen Plan. „Zunächst schauen wir uns das Material sehr genau an, auch unter dem Mikroskop, um Aufschlüsse über dessen Zustand zu erhalten, dann beginnt die eigentliche Arbeit“, sagt die 30-Jährige. So werden die einzelnen Scheiben jedes der durchschnittlich   75 Quadratzentimeter großen Fensterfelder Stück für Stück sorgfältig gereinigt, Schäden ausgebessert. Jedes der fünf Westchor-Fenster, die zuerst bearbeitet werden, ist 11,50 Meter hoch und 2,60 Meter breit. Insgesamt bestehen die fünf Fenster aus 267 Glasfeldern, die zwischen fünf und zwölf Kilogramm wiegen.

Arbeit am Wolkengesicht

„Die Reinigung ist reine Handarbeit. Mit dem Skalpell nehme ich  Schmutz und   andere Partikel ab, mit dem Pinsel wird nachgesäubert. Schadhafte Stellen wie Risse müssen sorgsam verklebt werden“, berichtet die Restauratorin. Im Fall der Heiligen Elisabeth gilt es für Jana Hildebrandt, allerdings noch eine ganz besondere Herausforderung zu meistern, besitzt deren Bild doch nur noch ein sogenanntes Wolkengesicht. „Die Gesichtszüge sind im Lauf der Zeit verblichen, sie müssen deshalb auf dem Glas nachgezeichnet werden.“

Für ihre Arbeit ist Jana Hildebrandt gut gerüstet. Zunächst absolvierte sie in Limburg an der Lahn eine Ausbildung zur Glasveredlerin, holte das Abitur nach und studierte von 2009 bis 2015 in ihrer Heimatstadt Erfurt. Mit dem Master of Arts in der Tasche ging sie nach Schweden. Am Uppsalaer Dom war die junge Frau für zwei Jahre an der Restaurierung der größten Kirchenfenster Skandinaviens tätig. Zurückgekehrt nach Deutschland, hörte sie vom Naumburger Projekt und bewarb sich. „Ich war fast ein wenig überrumpelt, als die Zusage kam“, gesteht sie. Von ihrer Tätigkeit hat sie dabei eine klare  Vorstellung.  So sieht Jana Hildebrandt ihre  Arbeit an den Fenstern des Doms als einen „Dialog mit der Vergangenheit“. Vor allem die beeindruckende mittelalterliche Maltechnik sei es, die Respekt fordere. „Da waren im Naumburger Dom die besten Glasmaler ihrer Zeit tätig.“

Deren Werke sollen nun für weitere Generationen erhalten werden. Zwei Millionen Euro, die von Spendern und aus Stiftungen sowie vom Land Sachsen-Anhalt und dem Bund kommen, investieren die Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz daher in das Projekt. Stück für Stück  werden die Fenster ausgebaut und in der Werkstatt am Dom aufgearbeitet. „Die Bilder  erhalten eine deutlich größere Brillanz“, berichtet Jana Hildebrand von den Erfahrungen nach den ersten Wochen ihrer Arbeit. „Auch die Konturen der auf den Fenstern dargestellten Figuren werden künftig wieder besser erkennbar sein.“

Heilige in drei Varianten

Nach Wiedereinbau der sanierten Fenster werden die Besucher des Naumburger Doms dann die Heilige wieder in drei verschiedenen Varianten betrachten können. Denn mit der Elisabethstatue aus der Zeit  um 1235 – sie gehört damit zu den ältesten bildlichen Darstellungen der Heiligen – und den 2007 vom Leipziger Maler Neo Rauch geschaffenen Glasfenstern mit Szenen aus dem Leben Elisabeths gehören zwei weitere wichtige Bildwerke zur Ausstattung des imposanten Kirchenbaus.

Und vielleicht findet sich der Naumburger Dom dann ja auch schon auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes wieder. Zwar hatte der Antrag aus Naumburg, der auch die  hochmittelalterliche Landschaft an Saale und Unstrut umfasst, die Kommission zwei Mal nicht überzeugt. Doch der Antrag wird nun auf der nächsten Sitzung des Welterbe-Komitees in Bahrain erneut beraten. Eine Entscheidung soll Anfang Juli fallen. Und auf die dürfte in Naumburg nicht nur Jana Hildebrandt gespannt warten.

Hier finden Sie spannende Information zum Naumburger Dom.