Mittelalter-Klänge aus der Klosterkirche
Das Montalbâne-Ensemble begleitet sein Publikum auf der Suche nach Spiritualität und Mystik. Und die künstlerische Leiterin Susanne Ansorg erklärt, was für sie dabei das schönste Kompliment ist.
Von Christian Schafmeister
Wer Susanne Ansorgs große Leidenschaft für mittelalterliche Musik verstehen will, trifft sich mit ihr am besten im Schloss Goseck. Hier fühlt sich die künstlerische Leiterin des Montalbâne-Ensembles zu Hause wie wohl an kaum einem anderen Ort. Kein Wunder: drei der vier Mitglieder wohnen in dem Schloss im Burgenlandkreis, das hoch über der Saale liegt. Und hier proben die Musiker auch regelmäßig für ihre Auftritte. „Wenn es das Wetter wie jetzt zulässt, machen wir die Türen der alten Klosterkirche auf, dann gibt es für die Besucher der Anlage gratis Musik dazu.“
Verbundenheit ist ohnehin ganz wichtig für die Musikerin. Das wird schnell klar, als sie entspannt auf einer kleinen Holzbank im Chor der Klosterkirche sitzt und von den Anfängen erzählt. „Wir spielen schon seit 1998 zusammen“, erzählt sie. Damals habe sie Sänger Robert Weinkauf als junge Studentin in Leipzig mit auf ein Konzert genommen. „Das Erlebnis war für mich damals das erste Schlüsselerlebnis.“ Das zweite folgte am Tag des Mauerfalls.
Am Abend des 9. November 1989 saßen die Musiker nach einem Konzert in Meißen zusammen, hörten vom Fall der Berliner Mauer und dachten sich: Jetzt können wir uns künftig endlich die Stars der internationalen Mittelaltermusik-Szene live anschauen! Doch warum eigentlich nur anschauen? Und so kam wenig später die Idee auf, selbst ein Festival auf die Beine zu stellen. „Uns hat damals einfach ein blauäugiger Enthusiasmus getragen“, erinnert sich die 48-Jährige. Ein Entschluss mit weitreichenden Folgen: Heute, 29 Jahre später, zählt das Montalbâne-Festival nach Angaben der Veranstalter zu einem der innovativsten Festivals für mittelalterliche Musik in Europa.
Foto: Andreas StedtlerWas aber fasziniert Susanne Ansorg, die selbst verschiedene Streichinstrumente spielt, so an mittelalterlicher Musik? „Häufig ist von den Stücken wenig überliefert, selten gibt es Text und Musik zusammen.“ Deshalb bräuchten Musiker wie bei Montalbâne nicht nur Wissen und Fachkenntnis, sie bräuchten vor allem Forschergeist und Lust, etwas Persönliches in die Stücke einzubringen. „Das ist wie ein Verbindung von Kammermusik und Jazz.“ Daher sei es für sie auch nie in Frage gekommen, in einem Orchester zu spielen. „Dort spielen oft hervorragende Musiker, keine Frage. Aber die spielen ihr Programm herunter und gehen nach Hause. Das ist bei uns anders. Wir sind eigentlich nie fertig. Und anders als in manch einem Orchester kann sich bei uns auch keiner verstecken.“ Das aber ist ohnehin nicht die Absicht des Ensembles, das 2015 mit dem Romanikpreis in Gold ausgezeichnet worden ist. „Wir wollen unser Publikum direkt ansprechen und mit auf eine Reise nehmen.“
Damit das gelingt, brauchen Musiker aus Sicht der künstlerischen Leiterin vor allem zwei Dinge: Charisma und eine Botschaft, die sie ihrem Publikum vermitteln wollen. „Dafür sind Typen gefragt, die auf die Bühne kommen und sofort Präsenz und Ausstrahlung haben. Das ist heute bei einem Popstar nichts anderes als früher bei einem Minnesänger.“ Bei einem guten Auftritt, so Susanne Ansorg, komme es darauf an, sofort in direkten Kontakt mit dem Publikum zu treten, das sei der Schlüssel zum Erfolg. „Wenn sich die Aufmerksamkeit auf mich als Musikerin richtet, habe ich schon gewonnen.“ Daher liefert das Ensemble zu seinen Stücken von der Bühne aus kurze Erklärungen. „Die Leute sollen schließlich nicht in Programmheftchen blättern und lesen.“ Im Gegensatz zu anderen Gruppen, die sich „eine Nische im Bildungsbürgertum suchen“, versuchen die Montalbâne-Musiker gezielt ein junges, regionales Publikum anzusprechen und mit Instrumenten wie Harfe, Laute, Flöte, Trommel, Fidel und Glockenspiel zu begeistern. „Viele, die sich mit älterer Musik beschäftigen, bleiben bei Bach stehen – und das ist schade.“
Die meisten Konzerte des Ensembles finden in Kirchen und Klöstern statt. „Klöster waren schließlich immer schon Orte der Musik.“ Die Zahl der Zuhörer schwankt je nach Ort zwischen 50 und 400. Die Atmosphäre der Räume strahlt aus Sicht der 48-Jährigen auf Publikum und Musiker aus. „Die Leute kommen zur Ruhe, sind bereit, sich auf etwas Schönes einzulassen. Das ist auf jeden Fall schon mal ein großer Vorteil, den wir nutzen wollen.“ Die meisten ihrer Zuhörer seien dabei auf der Suche nach etwas Spiritualität und Mystik, weniger nach Unterhaltung. „Und wir wollen immer jedem einzelnen Besucher das Gefühl geben, wir spielten nur für ihn.“ Daher tritt das Ensembles auch nicht bei Mittelaltermärkten auf. „Dort spielen zwar oft auch gute Gruppen, aber die Konzerte haben oft einen Open-Air-Charakter, da geht es mehr um die Bühnenshow, um die Lautstärke und um die Aufmerksamkeit der Massen.“
Doch woran merkt Susanne Ansorg, dass ihre Zuhörer mit einem Konzert zufrieden sind? Sie sitzt noch immer auf ihrer Holzbank im Chor der Klosterkirche, zögert für einen Moment, scheint sich dann aber über diese Frage sehr zu freuen. „Viele Zuhörer haben bei uns die Augen geschlossen und lächeln“, erzählt sie. „Und das ist doch eigentlich das schönste Kompliment, das wir als Musiker bekommen können.“
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