Foto: Andreas Stedtler

Mit Eulenspiegel in luftiger Höhe

Bester Rundblick aus 44 Metern Höhe über dem Schloss: In Bernburg erwartet der Schalksnarr die Besucher bald wieder auf seinem sanierten Turm. Doch nicht nur dort hat Till Spuren in der Stadt hinterlassen.

Von Ralf Böhme

Es ist eine Rettung im letzten Moment. Vor wenigen Monaten drohte dem wohl bekanntesten Bauwerk von Bernburg (Salzlandkreis) noch der Einsturz. Doch jetzt ist die Gefahr gebannt. Der 850 Jahre alte Eulenspiegel-Turm soll wieder so fest auf seinem Fundament stehen wie am ersten Tag. Schon im Sommer werden die Besucher, wenn alles klappt, wieder die herrliche Aussicht vom historischen Bergfried genießen können.

Eigentlich kann so ein mächtiges Gemäuer ja nichts umwerfen. Selbst wenn es etwas schief in die Landschaft ragt. Die tragenden Mauern halten viel ab. Immerhin sind sie Turmwände bis zu 3,60 Meter dick. Stattliche Dimensionen erreicht auch die Höhe, die der Mittelalter-Riese aus dem 12. Jahrhundert bis zur Wetterfahne misst: 44 Meter. Dass die bauliche Sicherung trotzdem überfällig ist, liegt auf der Hand. Breite Risse, etwa über Fenstern und an der Decke des Verlieses, zwingen die Bernburger zum Handeln.

Stahlanker sollen es richten

Mit einfachem Spachteln ist es da freilich am ehemaligen Witwensitz der Gräfin Eilika von Ballenstedt ( 1081-1142) nicht mehr getan. Ein kluges Konzept muss her für den Riesen, den Albrecht der Bär – der Sohn der Gräfin – damals im Streit um Sachsen als sicheren Rückzugsort brauchte. Dieses Konzept entsteht in Gemeinschaftsarbeit von Ingenieuren, Denkmalpflegern und Forschern der Weimarer Bauhaus-Universität.

Danach hält eine „Spinne“ aus hochfestem Edelstahlankern den Turm im Innersten zusammen. Es gibt aber auch eine Stütze von außen. Vorstellen muss man sie sich wie einen überbreiten Gürtel, bestehend aus wetterfesten Kohlefaser-Lamellen.

Foto: Stedtler

Billig ist das Unterfangen nicht, nach Ansicht der Fachleute aber unübertroffen gut. 360 000 Euro lässt sich die Kommune den Notfalleinsatz am Baudenkmal kosten. Ein Förderprogramm hilft bei der Finanzierung. „Das ist gut angelegtes Geld“, sagt Stadtführer Carl-Heinz Schmidt über die Investition. „Bernburg ohne den Eulenspiegelturm, das geht doch gar nicht.“

Der Turm, eine wichtige Station auf Sachsen-Anhalts Touristenmagnet „Straße der Romanik“, gilt landauf, landab als höchstes Denkmal im Bernburger Land. Untrennbar damit verquickt sind Eulenspiegel-Streiche, die Schwächen von Herrschern und Untertanen gleichermaßen offenbaren und aufs Korn nehmen. Wenngleich verschiedentlich Eulenspiegels Aufenthalt in Bernburg bezweifelt wurde, trägt der runde Bergfried schon im Jahre 1640 seinen Namen.

Die derben Späße lassen Till Eulenspiegel (1300 -1350) bereits zu Lebzeiten zur Legende werden. Bald nach seinem Tode erscheinen Bücher, die seine Narreteien für die Nachwelt festhalten. Mehr als 90 Geschichten sind über ihn im Umlauf. Heute erwartet eine lebensgroße Eulenspiegel-Puppe die Besucher in der Bernburger Turmkammer. Das beliebte Foto-Motiv bietet sogar einen extra Service: Auf Knopfdruck hören die Besucher eine überlieferte Sage von Deutschlands berühmtesten Schelm. Anknüpfungspunkt: Eulenspiegel soll sich hier in Bernburg als Turmbläser verdingt und damit Narren-Geschichte geschrieben haben.

Stadtführer Schmidt, ein ehemaliger Klempnermeister, kann die Geschichte auswendig aufsagen – Wort für Wort. Danach soll der Graf von Anhalt, Eulenspiegels Dienstherr, vergessen haben, ihm Speisen und Getränke auf den Turm bringen zu lassen. Just in dem Moment, als der feine Herr samt Gefolge am reich gedeckten Tisch sitzt, bläst der hungrige Wächter deshalb aus Rache ein Warnsignal. Die ganze Gesellschaft stürmt hinaus, um die nahenden Feinde zu verjagen. Eulenspiegel nutzt die Gelegenheit, lässt es sich derweil wohl sein. Als der Streich auffliegt, bekommt die Herrschaft freilich einen Wutanfall mit dem Ergebnis: Der Schalksnarr muss den Hof verlassen und die Flucht antreten. Der Chronist schreibt das Jahr 1325.

Till Eulenspiegel: „Nichts war ihm heilig“

Eulenspiegels Aufmüpfigkeit ist streitbar. Bis heute gibt es Befürworter und Kritiker. Die Stadt Bernburg versucht einen Spagat. Erklärungen wie „Nichts war ihm heilig, schon gar nicht die Obrigkeit“ könnten beinahe auf ein distanziertes Verhältnis schließen lassen. Schwingt da ein kritischer Unterton mit, wenn auf der kommunalen Homepage davon die Rede ist: Eulenspiegel sei „stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht“ gewesen?

Foto: Stedtler

Stadtführer Schmidt trägt eine solche Bewertung jedenfalls nicht mit. „Eulenspiegel war alles andere als ein Egoist.“ Ein eigener Blick auf die Dinge, solche Leute würden irgendwie immer anecken – gestern, auch heute und morgen. Aber Provokationen seien, so Schmidt, das Salz in der Suppe, eben Denkanstöße.

„Heute wäre der Eulenspiegel ganz sicher in der Kreativwirtschaft unterwegs“, glaubt der Lokalpatriot. Er fühle sich dem Narren verwandt. Sein innigster Wunsch: ein eigenständiger Eulenspiegel-Verein. Bislang haben sich sieben Gleichgesinnte, die ein solcher Zusammenschluss benötigt, leider noch nicht gefunden.

So bleibt die Erbepflege bis auf weiteres allein in den Händen der örtlichen Karnevalisten. Alljährlich das größte Spektakel: Ihr Präsident holt sich am 11.11. im Narrenkostüm die Schlüssel zum Rathaus – und behält ihn. Erst zu Aschermittwoch, so die Sage, muss der Narr zurück auf seinen Turm.

Dabei ist Eulenspiegel in Bernburg ganzjährig überaus präsent, an etlichen Stellen. Nicht nur eine Apotheke schmückt sich mit ihm. Selbst in einer Einkaufspassage kann man mit ihm Zwiegespräch halten. Auch Bildnisse und Skulpturen im Stadtbild erinnern an seine Schwänke.

Eulenspiegelei mit Brunnen

Unterwegs auf dieser Spur, der Schmidt mit Reisegruppen gerne folgt, sind viele kleine Begebenheiten zu entdecken. Da ist zum Beispiel der Eulenspiegel-Brunnen. Dass er überhaupt dort steht, wo er steht, ist einem engagierten CDU-Wahlkämpfer zu verdanken. Kleine Eulenspiegelei am Rande: Inzwischen ist das Kunstwerk ein beliebter Treffpunkt der Linken, die gleich nebenan in ihr Wahlkreisbüro einladen. Till würde es ganz bestimmt gefallen.

Mehr Informationen rund um den Eulenspiegelturm in Bernburg und die Stadt Bernburg.