Foto: Andreas Stedtler

Kulissenzauber auf Burg Querfurt

Die imposanten Wehranlagen sind bei der Errichtung im 15. Jahrhundert ihrer Zeit voraus gewesen, wurden aber nie gebraucht. Heute sind sie bei Filmproduktionen wie „Die Päpstin“ gefragt wie nie zuvor.

Von Christian Schafmeister

Es ist eng in der  Außenmauer des Südrondells der Burg  Querfurt, sehr eng sogar. Nur gebückt    gelangt man durch einen   schmalen Gang von einer Schießkammer in die nächste.  Doch die imposante, mehrgeschossige Verteidigungsanlage aus dem 15. Jahrhundert, die mit einem Durchmesser von 12,50 Meter ein echter Koloss ist, begeistert den Bauhistoriker Reinhard Schmitt noch heute. „Sie ragte mit ihrer Qualität  zum Zeitpunkt des Baus weit über das normale Maß hinaus.“

So konnten die Verteidiger ihre Büchsen in den Schießscharten mit einem Haken in sogenannte Prellhölzer  rammen und so den gewaltigen Rückstoß    ein wenig dämpfen.  Große Eichenbohlen in den Schießscharten, sogenannte  Kugelschutzbohlen,  schützten die Soldaten vor Beschuss von außen und ermöglichten es ihnen zugleich, die Angreifer besser ins Visier zu nehmen. Die Verteidiger konnten aus den Schießscharten dabei jeden Winkel vor der Burg und im Burggraben gezielt unter Beschuss nehmen. Und sogar an Öffnungen, aus denen  der Rauch der Waffen aus den Schießkammern abziehen konnte, hatten die Erbauer gedacht. „Die Baumeister mussten sehr viel Erfahrung gehabt haben, trotzdem ist die Anlage in Querfurt ein Unikat“, berichtet Schmitt. „Das ist kein Nachbau, und es gab damals ja auch keine DIN-Vorschrift zum Bau von Verteidigungsanlagen.“

Doch warum ist eine so moderne Anlage damals gerade in Querfurt errichtet worden? Und was gab es dort überhaupt zu verteidigen? Eigentlich fast nichts, sagt Schmitt. Ganze vier Dörfer habe es im Einflussbereich der Edlen Herren von Querfurt gegeben. Doch das Adelsgeschlecht, das auf der Burg bis zum Aussterben der Hauptlinie 1496 seinen Stammsitz hatte, habe sich  damals zwischen den beiden Mächten in der Region  geschickt positioniert. „Weder das Erzbistum Magdeburg noch das Kurfürstentum Sachsen hatten eine solche Festung.“ Militärisch habe der Bau dagegen keinen Sinn gehabt. „Überliefert ist aus der damaligen Zeit jedenfalls kein einziger Kampf“, sagt Schmitt. Er geht davon aus, dass der Bau der imposanten Verteidigungsanlagen auch einem gewissen Imponiergehabe des Adelsgeschlechtes geschuldet sei. Letztlich sei bei der Inventur nach 1496 auch nur nur eine „lächerlich geringe Zahl“ an Feuerwaffen gefunden worden.  „Vieles ist damals einfach nur Kulisse gewesen, wenn auch eine  fantastische Kulisse.“

Doch diese Kulisse ist seit einigen Jahren wieder sehr gefragt und war Schauplatz für viele Produktionen. So entstand ein Großteil der Szenen für die Historienfilme „Der Medicus“ und „Die Päpstin“ auf der Burg Querfurt. Und auch Til Schweigers „1 1/2 Ritter“ wurden auf dem Burggelände gedreht.

Zur imposanten Wehranlage gehören neben dem Südrondell noch zwei weiteren Rondelle, zwei Ringmauern und die gewaltige Westtoranlage. Hinzu kommen mit dem Marterturm, dem Dicken Heinrich und dem Pariser Turm drei imposante Turmbauwerke. „Die Geschlossenheit und die Massivität der Anlage sind deutschlandweit sicher einmalig“, bekräftigt Schmitt, der in den 1980er Jahren selbst Ausgrabungen in Querfurt geleitet hat. Das Westtor mit seinen sechs Meter dicken Mauern  diente  dabei nicht nur als Zugang zur Burg, sondern auch als  Vorbefestigung.  Aus den Schießscharten der Gewölbe, den sogenannten Kasematten, konnten  Angreifer im Vorfeld der Burg, aber auch im Burggraben  beschossen werden –  etwa, wenn sie versuchten, die Burg über Leitern  zu erobern.  Möglich war es  zudem, Angreifer zu beschießen, die bereits durch das Westtor eingedrungen waren und nun vor der Ringmauer standen. Die Schießscharten in der Mauer waren dabei angeschrägt, so dass die Verteidiger gezielt nach unten schießen konnten.

Was beeindruckend klingt, war rund 200 Jahre nach der Errichtung allerdings  überholt – und so konnten die Schweden mit ihren Kanonen die Burg im Dreißigjährigen Krieg einnehmen. „Dem Beschuss durch die Schweden hatten die Soldaten auf der Burg nichts mehr entgegenzusetzen“, sagt Schmitt.  „Die Anlage mit ihren mittelalterlichen Mauertürmen war der modernen Kriegsführung einfach nicht mehr gewachsen.“ Da half es auch nicht, dass die meisten Ebenen der Südbastion so tief im Burggraben lagen, dass das Bauwerk von der Hauptangriffsseite im Süden nur schwer als Ziel auszumachen war. Denn allein Treffer im oberen Bereich führten dazu, dass die Holzbalkendecken zwischen den einzelnen Ebenen einstürzten.

Mehrfach wurde Querfurt  damals besetzt. Gleich, ob kaiserliche oder protestantische Fürsten, alle Truppen nahmen sich von der Bevölkerung, was sie benötigten. 1631 hielt sich Schwedenkönig Gustav Adolf eine Nacht in Querfurt auf. Zu dieser Zeit wurde die Burg erstmals erobert, nachdem – der Legende nach – eine Kanonenkugel den Brunnen traf und die Mannschaft die Burg wegen Wassermangel an die Schweden übergeben musste. Der Chronist Caspar Schneider berichtet im Jahr 1654 – also 14 Jahre später –  von der Eroberung der Anlage durch die Schweden am 14. Januar 1640. Vom 8. bis 12. Dezember 1642 erfolgten weitere Beschädigungen. Am 12. Dezember 1642 wurde die zerstörte Burg an die Schweden übergeben.

Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wurden die Schäden  an der Anlage beseitigt, und die Rondelle erhielten ein Kuppeldach aus Stein.   Auf dem Dach wurde zudem eine Plattform errichtet, auf der nun auch Kanonen aufgestellt werden konnten. Mit der umfassenden Modernisierung ab 1665 wiederholte sich allerdings das Schicksal aus der Anfangszeit der  Wehranlage. „Sie wurde auch in der neuen Form  niemals mehr gebraucht“, berichtet Schmitt.

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