Fleißige Mönche - und tückische Läuse

Weinanbau an Saale und Unstrut hätte es ohne die Klöster nicht gegeben.

Von Christian Schafmeister

Weinanbau an Saale und Unstrut hätte es ohne die Klöster nicht gegeben. Doch auch ein Forscher spielte eine entscheidende Rolle beim Erhalt der inzwischen mehr als 1 000 Jahre alten Tradition.

Der  19. und 20. September 1887 dürften nicht zu den glücklichsten Tagen des Merseburger Regierungspräsidenten Gustav von Diest gehört haben. Denn an diesen Tagen – so steht es in einer Veröffentlichung Eberhard Kaufmanns zur Geschichte der Staatlichen Weinbaugesellschaft in Naumburg – erreichten ihn gleich vier Telegramme, alle mit der selben schlechten Nachricht: in den Weinbergen um Freyburg war die Reblaus entdeckt worden. Zwei Jahre später wurde dann auch im Raum Naumburg der erste Befall entdeckt.

Saale Unstrut Wein – Eine tausendjährige Geschichte

Für die Weinbauregion an Saale und Unstrut bedeutete diese Nachricht  einen herben Schlag. „Die Reblaus hat in den folgenden Jahren fast alles vernichtet“, erzählt Fritz Schumann, langjähriger Chef und heute Berater des Landesweinguts Kloster Pforta. Die Weinregion wurde zum ersten Reblausseuchengebiet in Deutschland erklärt und die Größe der Anbaufläche – heute immerhin 760 Hektar – schrumpfte bis zum Jahr 1919 auf nur noch 100 Hektar. Damit stand eine 900 Jahre alte Tradition vor dem Aus.

Denn ein erster Beleg für den Weinanbau in der Region stammt bereits aus dem Jahr 998 – eine kaiserliche Urkunde Otto III. Darin schenkte er dem Kloster Memleben sieben Orte mit allem Hab und Gut – und dazu gehörten eben auch Weinberge. „Die Urkunde ist sicher der bekannteste Hinweis für den Ursprung des Weinbaus in der Region“, erläutert Schumann.

Saale Unstrut Wein – Weiterentwicklung des Weinbaus durch Mönche

Es waren dann jedoch vor allem die Mönche des Zisterzienser-Klosters Sancta Maria Schulpforta, die gleich nach der Gründung 1137 den Weinbau in der Region weiterentwickelten. „Der Köppelberg, der noch heute ganz besondere Weine hervorbringt, wurde nachweislich schon 1154 von den Mönchen bewirtschaftet“, sagt Schumann, der keinen Hehl daraus macht, dass ihn die Zisterzienser noch heute begeistern. „Das war damals nicht nur ein wirtschaftlich sehr starker Orden, der bei Neugründungen den Mönchen meistens ein  Startkapital  zur Verfügung stellte“, erläutert Fritz  Schumann, „die Mönche haben  auch die gesamte Palette landwirtschaftlicher Tätigkeiten beherrscht und das sehr  professionell gemacht“.  Und das führte zu weiterem wirtschaftlichen Erfolg.

„Die Mönche haben nicht nur für die eigene Versorgung produziert, sondern deutlich mehr.“ Die Überschüsse wurden in den Städten in eigenen Handelshäusern angeboten und verkauft. Und die Zisterzienser versuchten ihr Geschäft immer weiter zu perfektionieren – mit Methoden, wie es sie auch heute in der modernen Wirtschaftswelt gibt. „Jedes Kloster musste dafür einen Jahresbericht erstellen, der dann in der Zentrale ausgewertet wurde“,  sagt  Schumann. Auf der Grundlage entstanden die weiteren Planungen. Doch der Wein war nicht nur ein Handelsgut, er war vor allem auch ein wichtiges Lebensmittel. So war Trinkwasser in der Zeit knapp und nicht lange haltbar. Daher wurde es häufig mit Wein konserviert. „Davon hat tatsächlich das tägliche Leben abgehangen.“

Eine zweite Blütephase nach dem Einstieg der Mönche im 12. Jahrhundert erlebte der Weinanbau dann im 16. Jahrhundert. Die Anbaufläche an Saale und Unstrut betrug vermutlich 10 000 Hektar. „Damals ist auch im flachen Land angebaut worden“, erläutert Schumann, „denn Hänge und Berge mit einer so großen Gesamtfläche  gibt es in der Region gar nicht“. Masse bedeutete jedoch nicht Klasse, ganz im Gegenteil: die Qualität der Weine war damals nicht sehr hoch.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Das änderte sich jedoch ab 1832. Mit der Gründung des Deutschen Zollvereins wurden die Schutzzölle abgeschafft, das heißt, es wurden auch wieder deutlich höherwertige Weine aus anderen Gegenden in die Saale-Unstrut-Region eingeführt. Daher bemühten sich die Mitglieder der 1835 gegründeten Weinbaugesellschaft darum, die Qualität der eigenen Weine zu verbessern, spezielle Züchtungen auf den Weg zu bringen und die heimischen Winzer anzuleiten.

Erfolg auch im Kampf gegen Reblaus

Und auch der Kampf gegen die Reblaus, der Ende des 19. Jahrhunderts fast zum Ende der Weinanbautradition geführt hätte, konnte letztlich gewonnen werden. Maßgeblich an dem Erfolg beteiligt war ↗Carl Börner, der 1919 in Naumburg eine Zweigstelle der Biologischen Reichsanstalt gründete und deren Leiter wurde. Er zeigte, dass die Amerikanerreben bereits Reblausresistenzen aufwiesen. Und so entstand die Idee, die ↗Amerikanerreben als Unterlage zu nutzen, also zur Bildung des Wurzelstockes. Damit verbunden wurden dann die heimischen Reben, die weiterhin zur Bildung der Trauben dienten. „Diese Erkenntnis war der Durchbruch im Kampf gegen die Reblaus“, betont Schumann. Ab 1923 war der sogenannte ↗Pfropfrebenanbau  dann in  Deutschland zugelassen. In Naumburg wurden die Reben damals auf dem Gelände der  Staatlichen Weinbauverwaltung veredelt – inzwischen Sitz des Winzerhofes Gussek.

Heute – mehr als 1 000 Jahre nach der Urkunde Otto III. und fast 900 Jahre nach Gründung des  Zisterzienser-Klosters – sieht Schumann das Anbaugebiet gut aufgestellt. Zwar sei das Gebiet mit seinen 760 Hektar eine „kleinere Hausnummer“ als etwa  Rheinland-Pfalz mit 60 000 Hektar. Gleichwohl hätten sich  inzwischen auch die Weine von Saale und Unstrut „fest etabliert“. Zudem könnten die Winzer auf aktuelle Trends wie nach leichten, spritzigen Weißweinen reagieren. „Das können wir bedienen.“ Und was neue Kunden betrifft, richtet Fritz Schumann seinen Blick nach Osten. „Polen und das Baltikum können da durchaus interessante Regionen für uns sein.“

Weitere Informationen zum Kloster Pforta und Kloster Memleben