Burgküche im XXL-Format
Nicht nur ein Ort zum Kochen: Die riesige Anlage in Allstedt diente den Herrschern früher auch für repräsentative Zwecke.
Von Christian Schafmeister
Adrian Hartke hält eine lange, dünne Eisenkette in seiner rechten Hand und zieht langsam daran. „Schauen sie mal nach oben.“ Der Blick des Besuchers wandert höher und höher. Zunächst sieht man nur in ein großes, schwarzes Nichts. Dann aber tut sich ganz weit oben plötzlich ein kleiner heller Punkt auf.
„Das ist der Abzug unseres Kamins, der sich in mehr als 20 Metern Höhe befindet“, löst der Museumsleiter von Burg und Schloss Allstedt (Mansfeld-Südharz) den ersten Teil des Rätsels auf. „Und das große, schwarze Nichts, das sind einfach rund 550 Jahre Ruß aus unserer Burgküche.“ Es ist nicht irgendeine Burgküche, in der Adrian Hartke steht. „Die in Allstedt zählt zu den bedeutendsten und größten in ganz Europa.“ Und um das zu unterstreichen, nennt der Museumsleiter noch eine andere Zahl. Die Grundfläche des imposanten Kamins beträgt unglaubliche 25 Quadratmeter.
Errichtet worden ist die Küche in der Zeit zwischen 1460 und 1480 vom Adelsgeschlecht der Edlen Herren von Querfurt. Diese waren damals Eigentümer der Burg und haben sich auch in der Küche verewigt. So ist ein markantes Kreuzrippengewölbe an der Decke mit dem Wappen des Adelsgeschlechtes verziert. „Das ist wie eine Art Besitzerstempel.“ Ihren Stammsitz hatte das Adelsgeschlecht damals zwar auf der Burg Querfurt, und Allstedt war nur eine Nebenresidenz. Dennoch hatte die Küche eine besondere Bedeutung und diente unter anderem für repräsentative Zwecke.
„Eigentlich war die Küche völlig überdimensioniert“, betont Hartke. „Denn zu normalen Zeiten lebten hier auf der Burg nur zehn bis 15 Personen.“ Doch das Adelsgeschlecht hatte offensichtlich Gefallen an dem Raum gefunden. „Ich gehe davon aus, dass sich die Edlen Herren dort auch zum Essen aufgehalten haben, wenn sie in Allstedt waren. Das war für Adlige eher ungewöhnlich“, erklärt der Museumsleiter.
Beeindruckt von der Burgküche waren 2016 auch die Produzenten des Films „Katharina Luther“, der teils in Allstedt gedreht worden ist. „Damals war die Burg mehrere Wochen lang im Ausnahmezustand.“ Manchmal hätten 20 bis 30 Handwerker gleichzeitig an den Kulissen gebastelt. Aus dem Kassenraum wurde für die Produktion eine Apotheke, aus dem Café eine Cranach-Werkstatt. „Die Küche aber war zunächst überhaupt nicht für den Film vorgesehen“, erzählt Hartke. Doch das änderte sich, als die Produzenten das erste Mal die Küche mit dem riesigen Kaminschlot sahen. „Dort wurden dann letztlich die Szenen aus dem Kloster Nimbschen gedreht, in dem Katharina von Bora vor ihrer Flucht nach Wittenberg lebte.“
Die Produzenten stellten dafür jedoch einiges auf den Kopf – bis hin zur Farbe der Säulen. „Die waren den Filmemachern zu rot, sie wollten lieber graue Säulen. Doch das ist in einem denkmalgeschütztem Gebäude wie einer Burg eben nicht so einfach“, erklärt Hartke. Letztlich fanden alle Akteure dafür aber eine unkonventionelle Lösung. „Auf die Säulen wurde zunächst eine Zuckerlösung aufgetragen und dann erst der graue Anstrich. Später konnte alles einfach abgewaschen werden.“ Unter dem Strich habe sich der Aufwand allerdings gelohnt, sagt Hartke. „Natürlich sind wir mächtig stolz darauf, als Drehort ausgewählt worden zu sein. Das ist ja auch eine Auszeichnung“, betont der Museumsleiter. Hinzu komme der enorme Werbeeffekt, der damit verbunden ist.
Jetzt, wo das Filmteam wieder abgezogen ist, können sich die Besucher wieder ein Bild davon machen, wie es ab Ende des 15. Jahrhundert in der Burgküche zugegangen ist. Davon zeugt neben vielen alten Blechen, Kesseln und Pfannen auch ein Backofen – eingebaut in eine frühere Schießscharte.
Kartoffeln, Nudeln und Reis gab es damals noch nicht. Mächtig aufgetischt wurde dennoch. Es gab viel Fleisch, häufig Wild. Das wurde mit Brot oder Getreidebrei gegessen. „Je höher eine Person stand, desto mehr kam auf den Tisch. Und da ist schon richtig geprotzt worden“, erklärt Hartke. Das galt übrigens auch für Gewürze, die reichlich verwendet wurden. „Damit wollte man immer auch zeigen, was man sich alles leisten kann.“ Letztlich war das Essen – zumindest nach heutigen Maßstäben – oft versalzen.
Kurfürst Friedrich der Weise, ab 1496 nach den Edlen Herren von Querfurt Eigentümer der Burg, errichtete dort direkt neben der Küche die Hofstube. Dort hielt Thomas Müntzer im Jahr 1524 seine berühmte Fürstenpredigt, dort wurde zu Zeiten des Kurfürsten aber auch gegessen. Meistens brachte der Kurfürst seinen Hofstaat mit und so kamen oft schnell 50 Personen zusammen.
Wer wo an der Tafel saß, das spiegelte aber auch immer das Machtgefälle. Oft, so Hartke, habe es daher Streit um die Sitzordnung gegeben. „Wer sich wichtiger nahm, als er war, setzte sich einfach weiter nach vorne“, sagt der Museumsleiter. „Und wer dagegen nicht protestierte, rutschte automatisch in der Rangfolge nach hinten“, erklärt der Museumsleiter.
„Im Mittelalter hat man dabei auch sehr praktisch gedacht“, sagt Hartke. Damit es schnell ging, wurden die Tischplatten flink auf Holzböcke gelegt – und nach dem Essen angehoben und wieder herausgetragen. „Aus dieser Zeit stammt das Sprichwort ,eine Tafel aufheben’“, erklärt Hartke den Ursprung einer Redewendung, die sich bis heute im Sprachgebrauch gehalten hat.
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